BFE Werkstatt 1 (2018):
Projektanträge schreiben

Dokumentation des Workshops mit Friederike Vorhof, Fördermittelbüro

Zusammenfassung: Worum es geht

Ehrenamtskoordinator_​innen fehlt es in ih­rer Ar­beit oft an fi­nan­zi­el­len Mit­teln, z.B. um selbst klei­ne­re Pro­jek­te oder Ver­an­stal­tun­gen in der Un­ter­kunft zu rea­li­sie­ren. Auch in der Zu­sam­men­ar­beit mit ex­ter­nen Ko­ope­ra­ti­ons­part­nern kann es not­wen­dig sein, für ein ge­mein­sa­mes Pro­jekt För­der­mit­tel zu ak­qui­rie­ren und ei­nen Pro­jekt­an­trag zu ver­fas­sen. Oft ste­hen dann Be­rüh­rungs­ängs­te ge­gen­über ei­ner För­der­mit­tel­ak­qui­se im We­ge. Aber kei­ne Pa­nik, ei­nen För­der­mit­tel­an­trag zu ver­fas­sen, ist kein He­xen­werk. Es braucht ei­ne gu­te Vor­be­rei­tung, die Un­ter­stüt­zung des ge­sam­ten Teams und manch­mal viel­leicht auch ein biss­chen Glück.

Erste Werkstatt des BFE 2018



Aus der Praxis: Schritt für Schritt zur Antragstellung

1) Ablauf in der Organisation

Ist ein ge­eig­ne­ter För­der­mit­tel­ge­ber bzw. ei­ne pas­sen­de Pro­jekt­för­de­rung ge­fun­den, geht es mit klei­nen Schrit­ten Rich­tung Ziel. Be­son­ders wich­tig ist es, das gan­ze Team be­reits vor der An­trags­stel­lung mit ins Boot zu ho­len. Denn tau­chen im wei­te­ren Ver­lauf Wi­der­stän­de im Team auf, ist die Um­set­zung ei­nes Pro­jekts meist zum Schei­tern ver­ur­teilt. Ge­mein­sam wird nun ein Kon­zept ent­wi­ckelt, ei­ge­ne Fris­ten wer­den ge­setzt, Ar­beits­pro­zes­se ge­plant und im Team auf­ge­teilt. Wer­den Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner ge­braucht, soll­ten die­se früh­zei­tig ge­won­nen werden.

2) Erstellung eines Zeitplans

Ei­ne Pro­jekt­för­de­rung gibt meist ei­ne be­stimm­te För­der­dau­er vor. Wich­tig ist, dass oft nur Kos­ten über­nom­men wer­den, die wäh­rend der Pro­jekt­lauf­zeit ent­ste­hen. Das heißt, wir müs­sen uns zu­erst ei­nen Über­blick ver­schaf­fen und ei­nen Zeit­plan erstellen:
Wann und wo­mit be­ginnt und en­det das Projekt?
Was muss vor­be­rei­tet wer­den und wie viel Zeit brau­chen wir dafür?
Wie sieht es mit der Nach­be­rei­tung aus? Ist ei­ne Eva­lua­ti­on eingeplant?
Wie lan­ge brau­chen wir für Ab­rech­nung und Abschlussbericht?

 

Zur Vor­be­rei­tung ge­hö­ren z.B. die Ak­qui­se von Teilnehmer_​innen, die Ma­te­ri­al­be­schaf­fung, die Klä­rung von Rah­men­be­din­gun­gen (z.B. Per­so­nal, Räu­me, Kurs­in­hal­te, Ver­pfle­gung etc.) und die Öf­fent­lich­keits­ar­beit im Vor­feld. Ge­ne­rell ist die Öf­fent­lich­keits­ar­beit bei ge­för­der­ten Pro­jek­ten sehr wich­tig, da sich För­de­rer als „Ge­gen­leis­tung“ ei­ne mas­si­ve Öf­fent­lich­keits­ar­beit wün­schen bzw. dies als Auf­la­ge ha­ben. Da­her soll­te ei­ne per­ma­nen­te Öf­fent­lich­keits­ar­beit ge­plant wer­den, z.B. mit re­gel­mä­ßi­gen News­let­tern oder Be­rich­ten auf der Home­page, Be­glei­tung des Pro­jekts auf Face­book oder Twitter.

3) Definition von Oberziel, Projektziel, Ergebnissen und Aktivitäten

Im Rah­men der Kon­zept­ent­wick­lung müs­sen wir erst ein­mal un­se­re Zie­le de­fi­nie­ren. Wich­tig ist hier­bei, die Ein­hal­tung ei­ner Kau­sal­ket­te: die Zie­le soll­ten auf­ein­an­der auf­bau­en und in sich stim­mig sein.

Ober­ziel:
Das Ober­ziel des Pro­jekts soll­te sich bei der An­trag­stel­lung im­mer mit dem För­der­ziel ei­ner Aus­schrei­bung de­cken. Zum Bei­spiel kann ein obers­tes Ziel sein, die gesellschaftliche
Teil­ha­be von Mi­gran­tin­nen zu fördern.

Pro­jekt­ziel:
Wie kann die­ses Ober­ziel er­reicht wer­den? Hier müs­sen wir die kon­kre­ten Zie­le und In­hal­te un­se­res Pro­jekts de­fi­nie­ren. Bei­spiels­wei­se er­rei­chen wir das Ziel der ge­sell­schaft­li­chen Teil­ha­be durch ein Pro­jekt, in dem die Mo­bi­li­tät von Mi­gran­tin­nen ge­för­dert wird, in dem wir ih­nen das ver­kehrs­si­che­re Fahr­rad fah­ren beibringen.

Er­geb­nis­se und Aktivitäten:
Zur Dar­stel­lung un­se­rer Ak­ti­vi­tä­ten for­mu­lie­ren wir Ar­beits­pa­ke­te. Um un­ser Pro­jekt­ziel zu er­rei­chen, müs­sen wir dem För­der­mit­tel­ge­ber Er­geb­nis­se zu­si­chern, die wir als In­di­ka­to­ren for­mu­lie­ren. Ein In­di­ka­tor ist ei­ne mess­ba­re Grö­ße im An­trag, die an­ge­kün­digt wird und nach­ge­wie­sen wer­den kann/​muss. Der Nach­weis kann zum Bei­spiel durch ei­ne Un­ter­schrift der Teil­neh­me­rin­nen oder an­hand ei­nes Zertifikats/​einer Be­schei­ni­gung erfolgen.
In­di­ka­to­ren soll­ten SMART sein:
Spe­zi­fisch Mess­bar (qua­li­ta­tiv o. quan­ti­ta­tiv) Attrak­tiv Rea­lis­tisch Ter­min- und fristgerecht

4) Definition eines Problems bzw. einer Ausgangslage

Das Pro­blem bzw. die Aus­gangs­la­ge for­mu­liert sich aus un­se­rem Pro­jekt­ziel. Das heißt, wir ent­de­cken ei­nen kon­kre­ten Bedarf/​ein kon­kre­tes Pro­blem. Wir lö­sen mit un­se­rem Projekt/​Projektziel das Pro­blem und leis­ten da­mit ei­nen Bei­trag zum Ober­ziel des Förderers.
Un­ter Nut­zung ei­nes Pro­blem­baums ver­an­schau­li­chen wir uns das Kern­pro­blem, die Ur­sa­chen da­für so­wie die Aus­wir­kun­gen. Ur­sa­chen und Aus­wir­kun­gen kön­nen be­ein­fluss­bar oder nicht be­ein­fluss­bar sein.

Un­ser Beispiel:
Pro­blem: vie­le Mi­gran­tin­nen sind in ih­rer Mo­bi­li­tät eingeschränkt
Ur­sa­chen: kul­tu­rel­ler Hin­ter­grund; sie kön­nen nicht Fahr­rad­fah­ren; Nah­ver­kehr wird ab­ge­baut; Man­gel an mo­ne­tä­ren Mög­lich­kei­ten der Teilnehmerinnen
Aus­wir­kun­gen: Be­such von Deutsch­kur­sen ist nicht mög­lich; feh­len­de Ak­zep­tanz in der Be­völ­ke­rung; Ver­bleib in der Unterkunft/​Ghettoisierung; Ab­hän­gig­keit; kei­ne Selbst­stän­dig­keit; kei­ne be­ruf­li­che In­te­gra­ti­on; kei­ne ge­sell­schaft­li­che Teilhabe

Die für un­ser Pro­jekt dar­ge­stell­ten Ur­sa­chen und Aus­wir­kun­gen lie­fern uns beim Ver­fas­sen des An­trags hilf­rei­che Ar­gu­men­te. Die der­zei­ti­ge Si­tua­ti­on bzw. Aus­gangs­la­ge für ein Pro­jekt kann mit Sta­tis­ti­ken, Fach­ar­ti­keln, se­riö­sen Zei­tungs­ar­ti­keln (Quel­len­an­ga­be nicht ver­ges­sen!) oder Um­fra­gen be­legt wer­den, in un­se­rem Bei­spiel mit Zah­len zur Ent­wick­lung des An­ge­bots des öf­fent­li­chen Nah­ver­kehrs in den letz­ten Jah­ren oder mit ei­ner Um­fra­ge zu In­ter­es­se und Nut­zen am Fahr­rad­kurs in ei­ner Un­ter­kunft für Frau­en mit Fluchterfahrung.

5) Evaluation und Nachhaltigkeit:

Be­reits im Vor­feld ist es wich­tig, sich Ge­dan­ken über Be­wer­tungs­kri­te­ri­en zur Mes­sung des Pro­jekt­er­fol­ges zu ma­chen. Wie gut wur­den Pro­jekt­zie­le er­reicht? Wie gut lie­fen Pro­zes­se ab? Wel­che Ver­bes­se­run­gen gibt es? Meist wer­den die­se Be­wer­tungs­kri­te­ri­en schon durch die For­mu­lie­rung der In­di­ka­to­ren definiert.
Für vie­le För­de­rer ist es bei der Geld­ver­ga­be aber auch wich­tig, ob ein Pro­jekt ei­ne nach­hal­ti­ge Wir­kung hat. Kann das Pro­jekt in Tei­len wei­ter­ge­führt wer­den? Was bleibt vom Pro­jekt be­stehen? In un­se­rem Bei­spiel ha­ben die Teil­neh­me­rin­nen mit dem Er­ler­nen des Fahr­rad­fah­rens et­was wirk­lich Nach­hal­ti­ges, was sie hof­fent­lich nicht mehr ver­ler­nen wer­den. Meist ist zur Wei­ter­füh­rung ei­nes Pro­jek­tes al­ler­dings ei­ne An­schluss­fi­nan­zie­rung notwendig.

6) Selbstdarstellung

Die Selbst­dar­stel­lung un­se­rer Or­ga­ni­sa­ti­on ist un­ser Aus­hän­ge­schild bei der An­trags­stel­lung. Sie ent­schei­det, ob der För­de­rer uns für se­ri­ös hält oder nicht. In die Selbst­dar­stel­lung ge­hö­ren in Kurz­form al­le re­le­van­ten An­ga­ben über un­se­re Rechts­form, Ziel und Zweck un­se­rer Ein­rich­tung, un­se­re Ak­ti­vi­tä­ten und Pro­jek­te, An­zahl der Mit­ar­bei­ter und Mit­glie­der, zu un­se­ren Dach­ver­bän­den und un­ser Alleinstellungsmerkmal.

7) Kurzbeschreibung

Die Kurz­be­schrei­bung dient dem För­der­ge­ber zur Vor­se­lek­ti­on und hat in An­trags­for­mu­la­ren oft ei­ne ma­xi­ma­le Zei­chen­vor­ga­be, an­sons­ten soll­te sie ei­ne hal­be Sei­te nicht über­schrei­ten. In­halt­lich soll­te ein Satz zur Or­ga­ni­sa­ti­on, ei­ne zen­tra­le In­for­ma­ti­on zur Aus­gangs­si­tua­ti­on und zum Pro­blem, der Pro­jekt­na­me, In­for­ma­tio­nen zu Ober­ziel und Pro­jekt­ziel, wich­tigs­te Er­geb­nis­se, Ort und Zeit­raum ent­hal­ten sein.

 

Die kon­zen­trier­te Dar­stel­lung un­se­res Pro­jekts soll­te in kur­zer Form al­les Wich­ti­ge zu un­se­rem Pro­jekt ent­hal­ten: Wer ist be­tei­ligt? Was wird ge­macht und wie wird es ge­macht? War­um gibt es das Pro­jekt? Wann fängt es an und wie lan­ge ist es ge­plant? Wo fin­det es statt?

8) Verschriftlichung /​ Aufbau von Projektanträgen

Sind al­le Schrit­te er­folgt, kann der An­trag ver­fasst und ei­ne Kal­ku­la­ti­on der Kos­ten für den Kos­ten­plan er­stellt wer­den. Pro­jekt­an­trä­ge soll­ten enthalten:
– Pro­jekt­ti­tel (und Logo)
– Kurz­be­schrei­bung des Projektes
– Selbst­dar­stel­lung der Or­ga­ni­sa­ti­on bzw. des Vereins
– Situation/​ Ausgangslage/​ Pro­blem­stel­lung
– Zielgruppe
– Projektziel
– Projektaktivitäten
– Kooperationspartner
– Öffentlichkeitsarbeit
– Evaluation
– Nachhaltigkeit
– Kostenplan

Sind al­le Do­ku­men­te zu­sam­men­ge­stellt, kann der An­trag beim För­der­mit­tel­ge­be ein­ge­reicht werden.
Jetzt heißt es Dau­men drü­cken! Viel Glück!

Offene Fragen aus der Werkstatt:

  • Wie kön­nen feh­len­de oder üb­rig­blei­ben­de Be­trä­ge um­ge­wid­met werden?
  • Wie sieht die För­de­rung bei ge­werb­li­chen Trä­gern aus?
  • Kön­nen Eh­ren­amt­li­che als Per­so­nal- oder Sach­mit­tel ein­kal­ku­liert wer­den? Kann man für EAs Gel­der be­an­tra­gen, al­so die Leis­tung der EAs in Geld­wert um­wan­deln, aber dies dann be­hal­ten? Stich­wort: Eigenanteil
  • Wie kön­nen Bewohner_​innen im Vor­feld der Pro­jekt­an­trä­ge mit ein­be­zo­gen werden?

BERATUNGSFORUM ENGAGEMENT FÜR GEFLÜCHTETE
Zur Start­sei­te | Do­ku­men­ta­ti­on BFE Werk­statt 1 (2018): Pro­jekt­an­trä­ge Schrei­ben | zu­letzt ak­tua­li­siert 10.06.2020